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Eine vergessene Lokalbahn. Gelegen in der nordwestlichsten Ecke der Donaumonarchie folgte der Mikrokosmos dieses unscheinbaren Bähnchens als getreues Spiegelbild allen Erscheinungsformen der „großen Politik“. Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges senkte sich der „Eiserne Vorhang“ über eine jahrhundertealte Grenze zwischen Bayern, Sachsen und Böhmen. Daran änderte sich auch später in den Gebieten beiderseits des Gebirgskammes nicht viel, obwohl sie unter dem Einfluß der gleichen imperialen Großmacht standen und sich fast 40 Jahre lang „sozialistische Bruderländer“ nannten. Selbst ein harmloser Besuch zum Kennenlernen der Bahnstrecke scheiterte am Grenzregime. Nur wenige hundert Meter Luftlinie vom Bahnhof Asch Stadt, und damit vom Zentrum entfernt, befindet sich die Landesgrenze zu Bayern. Damals Stacheldraht in alle Richtungen.
Die Freude über die wieder gewonnene Freiheit im Herbst 1989 wurde nicht allein uns Deutschen zuteil, sondern glücklicherweise auch unseren tschechischenNachbarn. Die politischen Veränderungen samt freien Besucherverkehr nutzend, kam es 1993 zu einer denkwürdigen Sonderfahrt, bei der alle noch befahrbaren Bahnstrecken links und rechts des Erzgebirges bereist wurden. Dabei rückte sie zum ersten Male endlich so richtig ins Blickfeld – die roßbacher Lokalbahn. Wohl einmalig dürfte die Begegnung zwischen dem (historischen) Schienenbus der Reihe VT 95 der Deutschen Bundesbahn und seinem böhmischen Kollegen M152.0 in Roßbach/Hranice geblieben sein.
Obwohl anfänglich von der dünnen Quellenlage zurückgehalten, siegte doch bald die Neugier, weshalb dem Ascher Ländchen vergönnt war, was anderenorts wie Jöhstadt, Bad Gottleuba oder Jonsdorf versagt blieb: ein Bähnchen über die Landesgrenze, nur die lokalen Bedürfnisse befriedigend. Ein Grenzbahnhof mit vier Hauptgleisen, ohne Signale, aber mit Zollamt 1. Klasse. Diese Mischung des Eisenbahnbetriebs aus österreichischen, deutschen und böhmischen Elementen begeisterte auf Anhieb. Und wie immer bei einer tiefergehenden Forschung, traten sehr schnell sich immens widersprechende Aussagen, Ungereimtheiten, Probleme zutage.
Zu den Mythen, die immer wieder gern voneinander abgeschrieben werden, gehört beispielsweise, die Österreichische Lokaleisenbahn-Gesellschaft (ÖLEG) hätte die Konzession für diese Strecke erhalten. Das ist alles großer Unfug. Wir haben im Österreichischen Staatsarchiv zu Wien die von Franz Joseph eigenhändig unterzeichnete Konzesssionsurkunde aufgeschlagen ... Außerdem Berge von Akten ausgewertet, die Jahrzehntelang niemanden interessiert haben – der Staub sprach Bände. Und auch mit der 1906 eröffneten Fortsetzung nach Sachsen kann die ÖLEG nichts am Hut haben, denn die wurde bereits 1894 verstaatlicht ...
Besonders schwierig gestaltete sich die Suche nach Bildmaterial für die in Deutschland liegende Teilstrecke Adorf – Landesgrenze, ist diese doch seit nahezu 60 Jahren demontiert und lag außerdem fast zur Gänze im Wald. Doch wenigstens je ein Lichtbild mit Gleisen zu den sächsischen Stationen sollte hinein... Auch das gelang.
So schwierig, sperrig, wie die Erforschung, gestaltete sich leider auch der Prozeß der Vollendung dieser Schrift: frühere Verleger verwarfen das Thema; für die Verarbeitung der schließlich angehäuften Materialfülle fehlte dann aber nach Beginn der eigenen böhmischen Editionsreihe zunächst einfach die Erfahrung... Nun, nach 20 eigenproduzierten Publikationen, konnte das Vorhaben jedoch endlich gelingen! |